Noch funktioniert das «programmierbare Material» nur
in einer eindimensionalen Modellkonstruktion, doch die hat ihre
ungewöhnlichen Fähigkeiten bereits bewiesen: Soeben
wurde die Forschungsarbeit mit dem Titel «Phononic Crystal
with Adaptive Connectivity» in der Fachzeitschrift
«Advanced Materials» publiziert (www.advmat.de). Ein erster Schritt
zu mechanischen Bauteilen mit frei programmierbaren Eigenschaften
ist damit gelungen.
Das Arbeitsmodell, das die Forscher nutzen, besteht aus einer ein
Meter langen und ein Zentimeter breiten Aluminiumplatte von einem
Millimeter Dicke. Dieser Blechstreifen kann in verschiedenen
Frequenzen schwingen. Um die Wellenausbreitung zu kontrollieren,
sind zehn kleine Alu-Zylinder (7 mm dick, 1 cm hoch) auf dem Metall
befestigt – zwischen Blech und Zylindern sitzen jeweils
Piezo-Scheiben, die elektronisch angeregt werden können und
dann blitzschnell ihre Dicke verändern. Dadurch kann das
Forscherteam um Projektleiter Andrea Bergamini letztlich genau
kontrollieren, ob und wie sich Wellen im Blechstreifen ausbreiten
dürfen. Aus dem Aluminiumstreifen ist dadurch ein so genannter
adaptiver phononischer Kristall geworden – ein in seinen
Eigenschaften verstellbarer Werkstoff.
Anpassung in Bruchteilen einer Sekunde
Die Piezo-Steuerung kann nun so eingestellt werden, dass sich
Wellen im Blechstreifen «ganz normal» ausbreiten zu
können, also ganz so als ob keine Aluminiumzylinder darauf
befestigt wären. Eine andere Konfiguration ermöglicht es,
ein gewisses Frequenzspektrum der Wellen zu tilgen. Und diese
Dämpfung ist variierbar– denn die Piezo-Elemente
können elektronisch in Bruchteilen von Sekunden ihre
mechanoelastischen Eigenschaften ändern – von weich
federnd bis zu völlig steif. Bergamini erläutert, was
einst aus den Forschungsergebnissen entstehen könnte:
«Stellen Sie sich vor, Sie stellen ein Blech her, bedruckt
mit einer elektronischen Schaltung und kleinen Piezo-Elementen in
regelmässigem Abstand. Dieses Blech könnte man dann
elektronisch auf eine bestimmte Schwingungsfrequenz programmieren.
Das interessante dabei: Selbst wenn man einen Teil des Blechs
abschneidet, würden sich die Wellen im abgeschnittenen
Teilstück weitgehend gleich ausbreiten wie im
Ausgangsstück.» Das kleine Blech hätte die selben
Schwingungseigenschaften wie ein grosses. Diese Methode liesse sich
auch auf dreidimensionale Bauteile anwenden.
Ein solches «Metamaterial» könnte den Maschinen-
und Anlagenbau tiefgreifend revolutionieren. Bisher galt es, die
gewünschten Schwingungseigenschaften bereits bei der Auswahl
des Materials festzulegen. In Zukunft könnte das Material auf
aktuelle Messwerte von Vibrationen reagieren und seine
Schwingungseigenschaften blitzschnell anpassen. Eine solche Anlage
wäre deutlich stabiler, und zugleich leichter zu
konstruieren.
Weitere Forschung an «programmierbaren
Materialien»
Beim Forschungsprojekt «Phononic Crystal with Adaptive
Connectivity» arbeitete Empa-Forscher Bergamini mit der
Arbeitsgruppe von Paolo Ermanni an der ETH Zürich zusammen.
Beteiligt war ausserdem Massimo Ruzzene vom «Georgia
Institute of Technology». In einem Folgeprojekt soll die
Programmierbarkeit des Prototypen erweitert werden: «Bislang
hat jedes Piezo-Element alleine, unabhängig von seinem
Nachbarn, auf Schwingungen reagiert», erläutert
Beramini. «In einem nächsten Schritt wollen wir die
Elemente miteinander verschalten, um sie gemeinsam beziehungsweise
koordiniert ansteuern zu können.»
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