Im Porträt

«Die Energiezukunft gibts nicht einfach so»

12.02.2015 | RAINER KLOSE
Urs Elber, Geschäftsführer des Forschungsschwerpunkts «Energie» an der Empa, erklärt, wie sich die Energieversorgung in den nächsten Jahren ändern wird und wie die Empa diesen Wandel begleitet.
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Herr Elber, warum braucht die Energieforschung der Empa einen Geschäftsführer?
Für die neu geschaffene Stelle gibt es verschiedene Gründe: Rund 40% aller Empa-Forschungsprojekte betreffen den Energiebereich, die meisten davon mit externen Partnern aus Forschung und Industrie, zum Beispiel die neuen Forschungsplattformen «NEST» und «Future Mobility», bei denen Systemaspekte eine bedeutende Rolle spielen. Energieforschung wird also zunehmend komplexer. Es ist notwendig, dass wir je länger, je mehr in grösseren Zusammenhängen denken, forschen und handeln – also vom Ernten und Transport der Energie über das Speichern und Umwandeln bis hin zur Steuerung des Verbrauchs. Wir als Bürger müssen am Ende nicht nur darüber entscheiden, welche Art Energie wir wollen, sondern vor allem, welchen Paradigmenwechsel wir dafür in Kauf zu nehmen bereit sind. Denn jede Option wird auch Nachteile haben.

Können Sie das näher ausführen? Wenn ich mir beispielsweise eine Solaranlage aufs Dach setze und damit Ökostrom ernte – wo ist da der Nachteil?
Zunächst haben Solarpanels noch ein enormes Verbesserungspotenzial: effizientere, billigere und besser integrierbare Module, weniger CO2-belastete Herstellungsmethoden etc. Und dann kann es vor allem im Sommer, wenn viel Solarleistung ins Netz einspeist wird, dazu kommen, dass mehr Solarstrom erzeugt wird als zu diesem Zeitpunkt benötigt. Das bedeutet, dass das Energiesystem viel flexibler werden muss. Beispielsweise müssen wir Speicher, auch saisonale, entwickeln, um diese Überschüsse abzufangen. Dazu müssen wir neue Wege suchen.

Zum Beispiel?
Eigentlich kann man ja nie «zu viel» Solarenergie haben; man muss lediglich die Menge, die nicht vom Stromnetz aufgenommen oder direkt gespeichert werden kann, in andere Bereiche überführen – etwa in die Mobilität. Man kann Elektroautos aufladen, solaren Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge herstellen oder aus diesem und dem Treibhausgas CO2 synthetisches Erdgas erzeugen. Wir brauchen an heissen Sommertagen keine Solarenergie zum Heizen – aber wir können immerhin damit fahren und so mehr und mehr importierte fossile Energie ersetzen. Eine zweite Möglichkeit sind effiziente Langzeitspeicher. Und schliesslich können wir den Verbrauch so steuern, dass er mit der Erzeugung besser übereinstimmt. Wenn also immer mehr Solarzellen auf Hausdächern montiert werden, wirft dies Folgefragen auf. Aber die sind lösbar.

 

 
  Urs Elber an einem Kleinwasserkraftwerk der Axpo in Kollbrunn/Tösstal, welches früher unter seiner Leitung stand.
 

 

Welche Rolle spielt die Empa dabei?
Zurzeit laufen an der Empa gleich mehrere Grossprojekte: «Future Mobility», eine Demonstrationsplattform für nachhaltige Mobilität, das Versuchsgebäude NEST, der «Energy Hub» und die Neukonzeption der Areal-Energieversorgung. Diese Aktivitäten sind ideal, um verschiedene Forschungsgebiete transdisziplinär und konzeptionell miteinander zu verbinden. Die vernetzte Forschung ist dabei enorm wichtig, sowohl innerhalb der Empa als auch mit externen Partnern im ETH-Bereich sowie im Rahmen der neuen «Swiss Competence Centers for Energy Research» (SCCER). Meine Aufgabe ist die Unterstützung und weitere Vernetzung dieser Aktivitäten.

Sie haben die Rolle der institutsübergreifenden Forschungsprojekte erwähnt; wie wichtig ist diese Zusammenarbeit?
Die ist zentral. Unter anderem mit dem «Competence Center for Energy and Mobility» (CCEM) hat der ETH- Bereich bereits 2006 erkannt, dass nicht alle alles in der gleichen Tiefe tun können und dass unsere komplexer werdende Welt immer mehr systemische Betrachtungen erfordert. Deshalb ist die Komplementarität der Forschung im ETH-Bereich enorm wichtig. Mit Vernetzung wird weniger Parallelforschung betrieben – und so Geld und Zeit gespart; die Akteure können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Mit dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) und den anderen ETH-Institutionen besteht im Energiebereich bereits eine sehr enge Zusammenarbeit. Ich sehe es als meine Aufgabe an, diese Zusammenarbeit weiter voranzutreiben.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was wird in den nächsten 35 Jahren beim Thema Energieversorgung passieren?
Nach meiner Einschätzung werden wir einen ähnlich drastischen Wandel erleben wie in der Telekommunikation in den vergangenen 20 Jahren, mit Paradigmenwechseln auf der Lieferanten- wie auf der Kundenseite. Damals gab es einen staatlichen Monopolisten, der alle Infrastrukturen und Services besass und die Technik bis zum Kunden betreute. Und heute? Bei der Übertragung dieses Modells auf die Energiewirtschaft muss man jedoch vorsichtig sein. Der Wandel wird langsamer und anders vonstat- tengehen, weil die Energieinfrastruktur sehr langfristig angelegt ist und der Effekt auf die Landschaft sich nicht verstecken lässt. Wir können auch nicht genau voraussagen, wann was passieren wird. Der technische Fortschritt wird uns in den nächsten 35 Jahren etliche Technologien bescheren, deren Bedeutung wir heute noch nicht einmal erahnen. 1992 konnte sich auch kaum jemand ein Smartphone vorstellen. Da stehen uns spannende Zeiten bevor – und es wird für alle Beteiligten viel zu tun geben.

 

Mit Urs Elber unterhielt sich Rainer Klose. Das vollständige Interview mit Urs Elber finden Sie hier

 
 


 

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Zur Person
Seit September 2014 fungiert Urs Elber als Geschäftsführer des Forschungsschwerpunkts «Energie» an der Empa. Seine Aufgabe ist es, neue Forschungsaktivitäten im Energiebereich in Gang zu bringen. Zugleich ist er für Industrie- und Forschungspartner der Empa Ansprechperson in Sachen Energiemanagement, -forschung und -planung. In mehr als 20 Berufsjahren hat sich Elber profundes Wissen über die Schweizer Energiebranche angeeignet: Er leitete verschiedene Wasser-, Wind-, Solar- und Biomassekraftwerke, war CEO der Holzenergie-Gruppe beim Stromversorger Axpo und managt als Geschäftsführer zugleich das Kompetenzzentrum des ETH-Bereichs für Energie und Mobilität (CCEM) am PSI. Nun will er die Kompetenzen der Empa im Bereich Energieforschung bündeln und sich mit den Schwesterinstituten des ETH-Bereichs noch enger vernetzen. Urs Elber ist kein Theoretiker: Auf dem Dach seines Hauses in Wangen bei Olten arbeitet seit mehr als 20 Jahren eine Fotovoltaikanlage der ersten Generation.